Logbuch der DA'HOAM

Autor: Udo Wyklicky ( wyky ) 

siehe auch Münchner Merkur

RegenschauerRegenschauer empfangen mich im Atlantik. Aber die See hat ein komplett anderes Wellensystem, die Dünung (Amplitude) beträgt ca. 300 m und selbst bei Wind kreuzt die See nicht ständig in ein ufernahes Wellensystem. Der Wettergott meint es noch nicht so gut mit mir. Ständig wechseln die Winde - vorwiegend aus Süd, schwach, mit Regenschauern durchsetzt oder mit Flaute. Seit Gibraltar läuft der Motor schon über 30 Stunden. Es ist der zweite Tag im Atlantik. Ich überlege ob ich nicht Casablanca anlaufen soll, falls der Wind ausbleibt, um Afrika einen Besuch abzustatten und um zu Tanken.

Ich habe einen neuen Rhythmus. Mit der Sonne stehe ich gegen 8.00 Uhr auf, nachdem ich entweder beigelegen bin oder der Motor lief. Die Lichtmaschine lädt jetzt (ohne mein Zutun) alle Batterien und ich bin trotz defektem Windgenerator meine Stromsorgen los. Nach einem ausgiebigen Frühstück setzte ich Segel, die ich alle 2 Stunden maximal berge oder umsetze. Fahrt 2 -5 Knoten oder so wie jetzt mit Motor bei glatter See 4 Knoten. Auch die Delphine sind verschwunden, sie haben mich durch die Meerenge begleitet und neben Kormoranen und Möwen in einem Heringsschwarm gespeist. Ein Katamaran ist für diese Säuger eine lustige Abwechslung, da ihnen 2 Schwimmerpaare ungewohnt sind. Sie spielen rund um mein Schiff in ganzen Rudeln herum. Ich lese viel, spiele mit dem Computer oder trockne meine Ausrüstung (man erinnere sich, das Bad war geflutet und mit ihm die Segelkammer). Da ich in einem Hoch stecke, bleibt das Wetter ruhig und ich sitze auf dem Dach, rauche eine Zigarette (in Gibraltar habe ich mich mit 9 Stangen Gitanes für 14,- DM die Stange eingedeckt) und halte eine Tasse Kaffee in der Hand. Dabei beobachte ich die Sonne, die flammend rot untergeht. Sie hinterläßt endlich wärmere Temperaturen. Ich laufe tagsüber barfuß und trage kurze Hosen. Nach einem ausgiebigen Abendessen aus Sauerkrautresten (von gestern mit Schweinsbratwürsten), Nudeln und Wurst, lese ich noch etwas und lege mich dann hin. Schiffe sind nur weit entfernt am Horizont zu erkennen. Land gibt es schon seit 24 Stunden nicht mehr. Allein aber sehr zufrieden (bis auf die Geschwindigkeit), werde ich gegen 22.00 Uhr einfach schlafen gehen und den Rest erledigt der nun voll funktionierende Autopilot und das GPS.

 


Casablanca

Mit Motorkraft (jetzt 54 Stunden) laufe ich Casablanca an. Über Funk melde ich mich und die dortigen Hafendienststellen lotsen mich in eine Privatmarina (wobei dieser Ausdruck etwas übertrieben ist, da es nur 2 Schwimmpontons für 2 Schiffe gibt und 2 kanadische Trimarane bereits dort festliegen) und ich mache im Päckchen (also neben dem Trimaran liegend) fest. Nach einer ruhigen Nacht und ohne irgendeine Kontrolle gehe ich an Land und sehe mir die Humphrey Bogart Stadt an. Eine moderne Großstadt mit etwas Großstadtflair, Reichen und Armen und dem üblichen Unrat. Zurück auf dem Schiff werde ich nun 2x kontrolliert und bekomme einen Stempel in meinen Paß. Der Sohn des Marinaleiters Tuttman (er spricht fließend Deutsch) besorgt mir 50 Liter Diesel und alles was ich sonst noch gerne hätte. Also bunkere ich weiter 15 Liter Wasser, Datteln, Mandarinen und Feigen. Am Abend telefoniere ich über Funk mit Tina. Unser Baby ist nun schon 3 cm groß, da sie aber erneute Blutungen hatte, muß sie die nächsten Wochen liegen. Ich werde also Mike absagen und eventuell vor der "Großen Überfahrt" noch mal kurz nach meinem kleinen blonden Mädchen sehen und nach Deutschland fliegen.

Schon am nächsten Morgen bin ich wieder auf See. Der Blister zieht mit Rückenwind das Boot in Richtung Lanzarote. Wieder eine ruhige Nacht auf See. Der Wind ist eingeschlafen und bläst am nächsten Morgen wieder mal aus allen Richtungen. Ich schaffe heute gerade mal 20 Seemeilen, dafür aber weine ich haltlos. Warum? Als ich den Motor anlasse läuft dieser knapp 20 Minuten und gibt dann Ölalarm. Die neue Lichtmaschine hat sich losgerissen, den Filter mit einem Kurzschluß zerstört und der Motorenraum ist wieder schwarz. Eine Reparatur des Ölfilters mit Epoxy und Fiberglas bringt nur mangelnden Erfolg und so bleibe ich ein Segelschiff, ohne Wind und mit Ölflecken auf dem gesamten Boot. Es ist zum Heulen. Mir ist die Laune gründlich verdorben, sogar das Essen schmeckt mir nicht mehr. Kann es noch tiefer gehen?

Wieviel Tage ich nun auf See bin, weiß ich schon nicht mehr. Das kleine zähe Boot kämpft sich Welle für Welle weiter in den Süden. Klatschend brechen sich diese an den beiden Rumpfspitzen, schießen als Fontänen über die Frontscheibe und verlaufen über dem Dach. Die Plicht bleibt bis auf die ausgiebigen Regenschauer trocken. Regen - seit über 4 Jahren hat es hier nicht mehr geregnet erzählten mir die Marokkaner, ich weiß nicht ob ich mich darüber freuen kann. Wo immer ein kleines Löchlein im Schiff ist, tropft es herein. Egal ob die Windhutzen geschlossen sind oder nicht. Die Teppiche sind voll Wasser, unter dem Tisch ist es naß und alle 6 Stunden pumpe ich die Bilgen leer. Ich vermisse meine Tina zum ratschen, kuscheln und um überhaupt Kontakt zu haben. Meine Tage sind leer. Ich starre auf meinen GPS - noch 199 sm bei Kurs 229°, Geschwindigkeit 3,5 kt, alles wackelt und ist naß. So sitze ich oft im Bett (trocken) lese oder bringe den regelmäßig Alarm piependen Autopilot auf Kurs. Da Motor und Windgenerator defekt sind muß ich die Sonnenstrahlen einfangen um über Nacht wenigstens die Ankerleuchte brennen zu lassen. Da es schon etwas wärmer wird bin ich nun barfuß aber nach jeder Aktion kuschle ich die Füße in meinen Schlafsack um die nassen und kalten Füße aufzuwärmen.

Was nicht durch Wellen in das Boot fließt erledigt nun immer öfter einsetzender Regen, damit verbunden aber sinkt meine Stromkapazität. Also kein "Gute Nacht Licht" , denn der Kühlschrank ist schon auf Sparflamme und den Rest brauche ich für den Autopilot, zu allem Überfluß hat sich unbemerkt der Außenborder mit samt seiner Halterung verabschiedet und liegt nun ca. 2000m tiefer und die Rollgenua ist komplett abgeschert, womit ich kein optimales Vorsegel für Am-Wind-Kurse habe.

 


Jetzt bläst plötzlich Wind aus NW mit 40 kt, Hurra da bewegt sich was - am letzten Tag vor meiner Ankunft in Lanzarote auf den Kanarischen Inseln mache ich einen Schnitt von 140 sm und parke 5 sm vor meinem Ziel in einer Flaute. Für die 5 sm brauche ich geschlagene 10 Stunden man kann den Hafen von Puerto de la Carmen fast greifen, erst zum Finale - einlaufen in einen engen Marinahafen frischt es gewaltig auf und ich ramme geräuschvoll die Kaimauer. Ein Brite schleppt mich gnädig mit seinem 50 PS Schlauchboot an meine Anlegestelle.

Puerto Calero

Die nächsten Tage sind gefüllt mit Reparaturen, Trocknen, Waschen und Organisation meines Fluges. Da der Marinahafen 5 km vom nächsten Ort entfernt ist schraube ich das Fahrrad zusammen und bin über die hoffnungslos verrostete Kette unglücklich, denn was sich da unter mir abkracht wäre ich lieber gelaufen. Jetzt heißt es die Tage bis zum Abflug absitzen, denn der anfängliche Elan aufzuklaren erschlägt einen fast. Wo soll ich denn anfangen? Es hilft nichts - die vom Fahrrad verschmierten Finger putzen die Ölsauerei im Motorraum, bauen die Batterien aus (Windgenerator!) und überziehen das Schiff gewissenhaft mit grauen Schlieren.

Viel Kontakt kann ich auch nicht herstellen, da der Hafen für einen Abendspaziergang zu abgelegen liegt. Die Probleme der Lichtmaschine, des Anlasser und des gebrochenen Rollgenualieks habe ich an den Briten mit seiner Werkstattcrew übertragen. Die Liste von Teilen nach und von Deutschland wird ständig länger.

BALD MamaPlanänderung: nicht ich fliege - Tina darf nach Gynäkologenaussage reisen. Ihr erster Eindruck von Lanzarote, sie wäre auf einem Truppenübungsplatz angekommen wird schnell zerstreut. Bizarre Farben: mattes Schwarz der Lavasteine, grün leuchtende Punkte der Pflanzen und das strahlende Weiß der Häuser geben herrliche Kontraste. Kulinarisch abgerundet werden unsere Tagesausflüge mit Gambas al achillo oder einem großen Buffett zu Tinas 30ten. Im Leihwagen oder einem Trike (man stelle sich Tina mit dem großen Bauch darauf vor) besuchen wir Höhlen, Feuerberge (aktive Vulkane) und Palmtäler - eine herrliche Schwangerschaft für beide, gekrönt von einer Inselumsegelung. Im 9ten Monat fliegen wir nach Bayern - denn Krümel, nun weit größer als 3 cm soll doch ein "Borisches Derndl" werden. Mit etwas Verspätung nach überstandenem Oktoberfest halten wir unseren jüngsten Matrosen im Arm - Kim. (Kims Kommentar dazu)

Mini-Matrose Kim (08.10.96) Nachdem man Tina Kim an die Brust gedrückt hatte, waren die Damen erst mal unter sich und Udo flüchtet vor Geschrei und vollen Windeln in die Werft vom Burle (Fa.Glas), die ihn als Bootsbauer ausgebildet hatte. Hier hatte er endlich wieder einen Hafen mit Schiff(ch)en, beim Winterlager etwas zu tun und auf die Frage eines Arbeitskollegen: "host no an Platz ?" auch einen neuen Mitsegler. Geplant war, Udo bringt den Katamaran in die Karibik und Tina fliegt mit dem Baby hinterher. Zusammen hätten wir aufgeregten Eltern den Hafen von Lanzarote kaum verlassen, um dann wegen 'mörderischem' Geschrei von Kim sofort umzukehren und den Kinderarzt aufzusuchen.

 

Als 'Tauchgepäck' wurden die vielen Ersatzteile mit Udo und Toni in München ins Flugzeug gesetzt und die beiden sollten in einer Woche das Boot Atlantik-klar machen. Taten die beiden auch: kleine Reparaturen, Unterwasserschiff streichen und für 6 Wochen verproviantieren. Aber auch Inselrundfahrt, Gleitschirmfliegen und Tauchen kamen nicht zu kurz. Am 10.11. aber war es soweit, als Probeschlag wurde nach Gran Canaria gesegelt, um dort noch das Schlauchboot überholen zu lassen - und prompt wurden beide - seekrank. Nach einer knappen Woche aber hieß es zum erstenmal "Kein Land in Sicht". 250l Frischwasser und 30l Trinkwasser, 10l Wein und 3 Paletten Bier galt es bis Trinidad einzuteilen. Bei der Routenwahl folgte man Kolumbus immer noch geltenden Rezept: Südwest bis die Butter schmilzt (20°N 30°W) und dann immer nach West. 5400 km nur Wasser (entspricht der Entfernung Oslo - Malta und zurück) mit 10 km/h und konstantem Passatwind von achtern. Bis auf ca. 40 Min steuerte der Autopilot mit Computernavigation das Boot über den ganzen Atlantik. Damit die 24 kalkulierten Tage nicht zur Monotonie wurden, dafür sorgten ein abwechslungsreicher Speiseplan, Fitnessprogramm und Spiele. sowie eine theoretische Tauchausbildung für Toni. Weit unangenehmere Unterbrechungen waren ein Herdbrand, bei dem der 1000-Meilen-Kuchen nur mit dem Feuerlöscher abgekühlt werden konnte und 2 Tage Generalreinigung des weißen Schiffes zur Folge hatte sowie div. Kleinschäden, die aber von den beiden Bootsbauern schon während der Fahrt behoben wurden. Das schlimmste waren wohl die Nachtwachen, alle 3 Stunden wurde gewechselt und dabei nach Wetter, Segelstellung und anderen Schiffen gespäht.
Sextanten Positionsbestimmung

Das Wetter blieb den ganzen Monat stabil mit kleinen Quellwölckchen, einer Lufttemperatur um 30° und der tägliche Regenschauer wusch den Schweiß als warme Dusche von der Haut. Moderate 3-5 Windstärken aus achterlicher Richtung (von hinten) sorgten für ein ausgebaumtes Vorsegel, das auf der ganzen Fahrt genauso wie am ersten Tag stehen blieb.

Atlantiksegler ToniFremde Schiffe sahen wir am Horizont ganze 3 (als deutscher Autofahrer stelle man sich daß einmal vor: ganze 3 Autos auf der Gegenspur bei 5400 km). So war ich heilfroh, als ich nach der Halbzeit endlich Tinas Überraschungskasette anhören durfte - ihre Stimme, unsere Lieblingslieder und Kimberly mit Schluckauf - hoffentlich ist bald Weihnacht und wir sind wieder beieinander.

2 Stunden 10 Minuten vor der berechneten Zeit - Land. Tobago grüßte die Bayrischen Gäste. Hier im glasklaren 28° warmen Wasser wurde Tonis Tauchlehrgang in Aquariumatmosphäre beendet. Papageien keckern von den Palmen und bei einem Bier an der Strandbar umgeben von quirligen, lachenden Farbigen kann man es ganz gut aushalten. Doch der große Schlag kam noch - kein gemeinsames Weihnachten. Alle Flüge in die Karibik sind hoffnungslos ausgebucht. Nach mehreren Tränen-Telefonaten aber stand ich nach einer Flug-Odyssee pünktlich zum Heiligen Abend vor Tinas Haustür. Das waren glückliche, wenn auch eiskalte Feiertage aber Mitte Januar wärmen wir uns gemeinsam auf unserer DA'HOAM in der Karibik auf.

Tobago Tauchleherer Udo

 

 

Frohe Feste an alle von Tina, Udo und Kim