STARNBERGER MERKUR
siehe auch Logbuch der DA'HOAM Mittelmeer
Servus bis in ein paar Jahren (Münchner Merkur 10/95) Autor: Bettina Wyklicky
Ich hatte mich wirklich beherrscht, bei unserer Abschiedsfeier in Porto Roz (Slowenien) nicht zu weinen, selbst dann, als mein Blick auf ein Päckchen fiel mit der Aufschrift "zu Öffnen an Tina´s Geburtstag am 17.07.96". Nun, da wir nach dem Ablegen außer Rufweite waren, ich auf die Gruppe Menschen starrte, die dort unermüdlich winkend am Steg zurückblieb, konnte ich nicht mehr an mich halten und heulte laut los. Werden alle, die dort stehen, noch die selben sein, wenn wir von unserer Weltumsegelung in 3 oder 4 Jahren zurückkehren? Werden sie alle wieder dort stehen, wenn wir nach unserer Erdumrundung hier wieder anlegen? Werden wir heil zurückkehren? In meiner Verzweiflung riß ich hinten, während Udo uns mit dem Gesicht nach vorn aus dem Hafen manövrierte, die Deutschlandflagge aus dem Halter und winkte, bis mir der Arm weh tat und wir völlig außer Sicht waren. Allein mit Udo und gezwungen, das Schiff segelklar zu machen, beruhigte ich mich langsam und mußte unverhofft plötzlich lachen, als ein paar Fischer von ihren Booten beim Anblick unseres geschmückten Schiffs ein "Happy Birthday to you" anstimmten.. Wir hatten es geschafft, die DA´HOAM war trotz einiger Hindernisse fertig geworden. Der eine Rumpf war voll mit Lebensmitteln, der Motor lief, die Elektrik war, dank Udos Bruder Vico, neu verlegt, der Petroleum- Kocher funktionierte, und die Segel waren in Ordnung. Mit dem neuen Namenszug am Heck und der von Freunden mitgebrachten Bayernflagge machte die DA´HOAM (mit Heimathafen Tutzing) mit uns zum ersten Mal Fahrt unter Segeln. Was jetzt noch fehlte, war der Schriftzug "Weltumsegelung von Tina + Udo" an unserem Boot sowie das Wohlwollen Neptuns für unsere erste Etappe entlang der kroatischen Küste gen Süden. Wir waren - mit einer Unterbrechung - seit drei Tagen auf See und etwa 20 Seemeilen vom nächsten Festland entfernt, als der Wind auffrischte. Es hatte so freundlich und mit derart spiegelglatter See begonnen, daß ich die Tatsache, nur über insgesamt zwei Tage Segelerfahrung zu verfügen, erfolgreich verdrängte. Ich glaubte mich schon fast in Besitz einer eben außergewöhnlichen seglerischen Gabe und sah mich heimlich bereits als der weibliche Kolumbus, als der Wind mich eines besseren belehrte. Wegen der rauher werdenden See hatte sich der Autopilot, der den Kurs automatisch hält, kurzfristig abgeschaltet und kündigte mir nun durch lautes piepsen an, daß wir vom Kurs abkamen. Mir selbst Mut zusprechend ergriff ich die Initiative. Wenig später stand die DA´HOAM mit laut schlagenden Segeln und wippendem Mastbaum direkt im Wind und ich voller Hektik am Ruder. Udo, von dem Krach aus seiner wohlverdienten Pause aufgeschreckt, streckte den Kopf aus der Tür und fragte mich "Was ist los?". "Sturm" brüllte ich, indem ich das Steuer von einer Seite zur anderen zerrte. Udo verschwand und tauchte einige Augenblicke später in seiner Segeljacke wieder hinter mir auf. "Darf ich mal" sagte er kurz darauf und tippte mir dabei auf die Schulter "Sturm wirst Du noch kennenlernen, und das hier ist mit Sicherheit keiner" bemerkte er, als er mich ablöste. Sekunden später war es still, die Segel füllten sich mit Wind, und wir machten wieder Fahrt bis zu unserem ersten Landfall in Jezera, einem Fischerdorf der Insel Murter. Wir rechneten mit einem kurzen Aufenthalt zum tanken und einkaufen, als der Wind zu unserer Überraschung drehte und bis heute - 3 Tage später - unsere geplante Weiterfahrt verzögert. Noch überraschender war dann, die einzigen Touristen, Hugo und Elisabeth Weissteiner, kennenzulernen. "Grüß Gott" sagte Hugo beim Anblick unserer "Weiss-Blauen" "wir kommen aus Starnberg und Ihr?" Die Welt ist klein und bis wir also, so der Wind will, Kurs auf das zweite Ziel unserer Reise nehmen, das da hoffentlich heißt "viva Italia", verbringen wir die Abende - bevor ich Udo mit Fragen über die Gefährlichkeit von Stürmen löchere - lieber mit einer Partie Schafskopf zu viert. Wer hätte das gedacht!
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Lieber Heimweh als
Seekrank Udo hatte nur gelacht und am Ende mit seiner
Wetterprognose wieder einmal recht behalten, als wir den
kleinen Hafen von Jezera (Kroatien) entgegen den Bedenken
des Hafenpersonals bezüglich des kräftigen Windes
in Richtung Italien verließen. Auch ich hatte beim
Ablegemanöver zuversichtlich gelächelt und konnte
mir dennoch nicht verkneifen noch einmal leise nachzufragen,
ob er sich mit der Abfahrt ganz sicher war. "Wenn der Wind
so anhält sind wir in zwei Tagen in Bari Spatzl" war
Udos Antwort. So war es dann auch, der Wind blies uns von
hinten direkt auf unser Ziel und wir brauchten genau zwei
Tage. Zwei Tage im 3 Stunden Rhythmus von schlafen und
wachen und ununterbrochenen Schiffsbewegungen. Abgesehen von
rauher See, war es vor allem die damit verbundene
Übelkeit, die mir zu schaffen machte und mich immer
dann überkam sobald ich mich in der Kajüte unseres
Zuhauses aufhielt. Um dem zu entgehen zog ich es vor, die
Wellen im Auge zu behalten und verrichtete meine Wachen
ausschließlich draußen am Steuerstand. Bei
nächtlichen 7 Grad war natürlich erforderlich,
sich warm anzuziehen und es hätte vollauf genügt
alle 15 Minuten mit einem kurzen Rundumblick nach dem
rechten zu sehen. Ich zog der Übelkeit dann doch die
Kälte vor und verbrachte die meiste Zeit damit, mich
einhändig schwankend in meinen Zwiebellook zu
kämpfen oder aus ihm herrauszupellen. Während Udo
laut von Zuhause, Weihnachtsgebäck und Gänsebraten
träumte und darauf hoffte seinen seekranken Smutje zum
Anrichten einer warmen Malzeit zu überreden, ließ
mich allein der Gedanke an Eßbares erschaudern.
Unbeeindruckt von seinen Wünschen ernährte ich
mich von Zwieback und Äpfeln und die Küche blieb
kalt. Seekrankheit ist schlimmer, als Hunger und Heimweh,
soviel steht fest. Nach kurzem Aufenthalt in Bari (Italien)
und einer extra großen Portion Spaghetti für Udo
erreichten wir nach drei weiteren Tagen das sonnige Catania
(Sizilien). Wir wählten diesen Abstecher nicht nur, um
bei der Mandarinenernte dabei zu sein, sondern auch weil wir
davon träumten, Europas größten aktiven
Vulkan Ätna in Augenschein zu nehmen. Der imposante
Berg aus schwarzen Lavagestein lud uns beim Aufstieg dann
unverhofft zu einer Schneeballschlacht ein. Nur noch wenige
Tage bis Weihnachten und fern von der Heimat träumte
dann auch ich, bei unserer Überfahrt von Sizilien nach
Malta, von DA'HOAM. Plötzlich wurde mir klar, daß
es das erste Mal sein würde, nicht wie gewohnt Zuhause
unter dem Tannenbaum zu sitzen, Plätzchen zu essen und
Weihnachtsmusik zu hören. Ich mußte immer wieder
daran denken, wie schön es im letzten Jahr gewesen ist,
mit einem ausgiebigen Spaziergang durch unseren Wald, der
verschneiten Zuckerlandschaft von Tutzing.
Beschäftigung vertreibt traurige Gedanken und wir
nahmen uns vor das Boot aus dem Wasser zu kranen, die
Rümpfe neu zu streichen und die Insel zu erkunden. Wir besuchten die historischen Dörfer Maltas
rund um die Festungsstadt Valetta und bestaunten die
einzigartigen Tempel und Kultstätten (5400 v. Chr.) des
kleinen multikulturellen Inselstaates. Nicht zuletzt
ließen wir uns durch die Gastfreundschaft, den Charme
und die Blütenpracht der Schweiz des Mittelmeers Malta
bei sonnigen 20 Grad verzaubern. Am Heiligen Abend stand Udo dann plötzlich mit
zwei Nikolausmützen und unseren Rollschuhen vor dem
Schiff und hatte mich tatsächlich überreden
können, mit der Mütze auf dem Kopf eine Fahrt
entlang der Hafenpromenade zu unternehmen. Später lasen
wir uns gegenseitig bei Kerzenschein die Weihnachtspost vor,
die man uns an eine Adresse in Malta geschickt hatte. Dank
unseres kleinen Backofens hatten wir sogar ein
Weihnachtshendl zu futtern. Mittlerweile rutschte die "DA´HOAM" frisch
gestrichen vom Trockenen zurück ins Wasser und wir in
einer Hafenkneipe bei lustiger Gesellschaft und viel
Seemansgarn ins neue Jahr. In der Hoffnung, daß es bei Ihnen
ähnlich lustig zuging und mit unserem nächsten
Ziel vor Augen, das da heißt Tunesien und weiter in
Richtung Gibraltar wünschen wir allen Leseren ein
herzliches 1996
Autor: Bettina Wyklicky
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Sardinien im Sturm
erobert Alles, alles Gute Ihr Zwei! Mast und
Schootbruch!, drang die herzliche Stimme eines uns
liebgewordenen Seebären aus unserem Funkgerät.
Nach drei schönen Wochen Aufenthalt und einem
rührenden Abschied von unseren dortigen Segelfreunden,
verließen wir Malta schließlich bei optimalem
Segelwetter in Richtung Tunesien. Freilich ahnten weder Udo
noch ich, als wir winkend langsam aus dem vertrauten Hafen
tuckerten, daß wir weder Pantelleria (eine winzige
italienische Insel, die uns als Zwischenstopp dienen sollte)
noch unser Ziel Tunesien tatsächlich erreichen
würden. Es hatte recht harmlos angefangen. Nach zwei Tagen auf
See machte unser Katamaran, die "DA'HOAM", bei einem
kräftigen Wind, den ich vor ein paar Wochen noch als
Sturm bezeichnet hätte, eine Spitzengeschwindigkeit von
sieben Knoten. "Spitze, bei diesem Tempo haben wir noch
heute Nacht festen Boden unter den Füßen", sagte
Udo zu Beginn seiner Wache, während ich mich schlafen
legte. Als ich drei Stunden später hinausging, sah ich
Udo konzentriert am Steuerrad stehen. Der Wind blies uns nun
noch kräftiger in Richtung der bereits in Sicht
gekommenen Lichter von Pantelleria. Es war tiefe Nacht, als wir dann mit verkleinertem Segel
auf den Hafen zudonnerten und verzweifelt nach der Einfahrt
Ausschau hielten. Wir waren wenige Meter von der Hafenmauer
entfernt, als wir aufgeregt feststellten, daß unser
Segel nicht mehr zu bergen war, weil es sich verhakt hatte.
Das schutzlos dem Wind ausgesetzte Segel zerfetzte es in
wenigen Augenblicken und schlug wild nach allen Seiten, als
Udo blitzschnell das Steuer herumriß. Mir wurde Angst
und Bange und ich brüllte: "Paß auf! Bitte!" Udo
balancierte laut fluchend auf das Vorschiff, um zu retten,
was zu retten war. Wäre er ins Wasser gefallen,
hätte ich ihn wahrscheinlich nie wieder gefunden. In der Zwischenzeit waren wir abgetrieben, und es war
selbst mit Hilfe des Motors unmöglich, in den Hafen zu
gelangen. Uns blieb keine andere Wahl. Wir waren gezwungen
die Lichter der Zivilisation hinter uns zu lassen, das
Schiff sturmklar zu machen und unseren Kurs in Richtung
Sardinien zu ändern. Fast war uns, als wären wir
wieder Herr der Lage, als es uns bei Windstärke 9
plötzlich die Schiene unserer Sturmfock aus dem Dach
riß und meine Courage sowie Udos Glauben an echte
Wertarbeit mit sich in die Tiefe nahm. Der Sturm zerrte an Kraft und Nerven. Um keine Fehler zu
machen wechselten wir uns nun stündlich ab. Ich stand
zitternd vor Angst, müde und von Wellen
durchnäßt am Steuerrad. Unablässig
führte ich ein lautes, mal drohendes mal flehendes
Zwiegespräch mit den meterhohen Wellen, als Udo mich
endlich zur Ablösung fest in seine Arme
schloß. Als wir nach zwei weiteren Tagen schließlich in
Sardinen ankamen, hatten wir ein weiteres Segel geopfert,
wären beinah mit einem Tanker zusammen gestoßen,
waren salzverklebt, und ich hatte beinahe 1000 Schwüre
geleistet, dieses Schiff nie mehr zu betreten. Während
die Segel oder das was davon übrig war, professionellen
Händen anvertraut wurde, planten wir einen Landausflug
und mieteten uns ein Auto. In den folgenden Tagen widmeten
wir uns dann völlig den Eindrücken einer wirklich
märchenhaften Landschaft mit unberührten
grünen Tälern und bizarren Felslandschaft, einem
von Wildpferdchen bewohnten Hochplateau, einer Unmenge
Flamingos im mit Schilf bewachsenen seichten Wasser und
überall frei herumlaufenden Maultieren. Wir waren
wirklich überrascht und beeindruckt von der
Schönheit und Vielfalt dieser Insel, dessen Besuch wir
eigentlich gar nicht geplant hatten. Zurück an Bord steckte ich entgegen meiner
Vorsätze bei optimalem Segelwetter dann natürlich
doch wieder in meinem dicken Segeloverall auf dem Weg nach
Mallorca (Spanien). Die Überfahrt verlief zum
Glück sehr friedlich, so daß sich auch die Wogen
des Gemütes langsam wieder glätteten. Amüsant wie Udo, nachdem er eine Ewigkeit in unserer
Regenkleidung herumgekruscht hatte, verkleidet und von
Stimmungsmusik begleitet zur Türe herauskam. Von Kopf
bis Fuß in einem verschmierten gelben Segeldress mit
Schlapphut, Brille und Haushalthandschuhen gekleidet, sang
er immer wieder "Es steht ein Pferd auf'm Flur" und legte
bis zum Abend nicht ein Teil seiner merkwürdigen
Kleidungsstücke ab. So ging es also fröhlich
maritim-karnevalistisch über Mallorca in Richtung
Festland nach Malaga. Für die nun folgenden Etappe, die uns via Gibraltar
zu den Kanaren führen soll, bleibt nur zu hoffen,
daß es weiterhin so friedlich-fröhlich zugeht und
ich mich nicht gezwungen sehen muß, "Alles hat eine
Ende, nur die Wurst hat zwei" zu singen. Eure Weltumsegler Udo + Tina
Autor: Bettina
Wyklicky