Logbuch der DA'HOAM 01/96

  
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Nach einem derben Anschiß von Tina aber muß ich mich auch etwas der kulturellen Seite Maltas aufschließen. Sie hat ja recht mit Ihrer Behauptung es wäre egal wo die "DA'HOAM" stünde, ich verbrächte die meiste Zeit mit reparieren und würde so die Länder ja gar nicht kennen lernen, in denen wir liegen. Recht hat sie - also spielt sie gekonnt die Reiseleiterin und wir besuchen eine Grotte mit Tierfunden, die bis zu 20 000 Jahre alt sind und verweilen an 2 Tempelanlagen mit riesigen Steinen (Monolithen), die zu den ältesten der menschlichen Geschichte gehören. Sie entstanden vor ca. 6500 Jahren und sind so alt, daß man die Erbauer als Volk oder Rasse gar nicht kennt.

Zum Abreisetermin von Malta wird noch ein Segel-test-tag bei Sonnenschein eingelegt und mit Entsetzen festgestellt - die Lautsprecher bringen die gesamte Navigation so durcheinander, daß der auf Garantie reparierte Autopilot und der Kompaß uns nie nach Tunesien bringen würden. Also wieder basteln (klasse!), achja und Wasser läuft nach einigen Gewitterschauern auch wieder unters Bett (nicht nett). Das machen wir in Ibiza.

Oder doch nicht - der Wind meint es nicht gut mit uns und hält uns weiter 2 Tage in Valetta fest. Während wir nun ständig Besuch von Don Juan erhalten und mit allen möglichen Geschichten verwöhnt werden repariere ich das Loch und stelle eine neue Steuerradabdeckung (ohne Lautsprecher) her.

Vati würde staunen. Schweinsbraten mit selbstgemachten Knödel auf der DA'HOAM. Zu dritt sitzen wir in der Plicht und unken auf die tollsten Geschichten, die im Hafen florieren. Aber dann ist es endlich soweit. Die untergehende Sonne belegt die Festung von Valetta mit goldbraunen Tönen und wir winken den uns nun gut bekannten "Überwinterern" noch ein letztes Mal zu. Wo werden wir unsere Bikes als nächstes auspacken?

Über Funk bestätigt uns die HarborControl freie und gute Fahrt. Die erneute Kompensierung unseres Autopiloten gestaltete sich etwas schwieriger und kräftig aus SO blasender Wind forderte ständig neue Segeltrimmstellungen. Aber mit konstanten 6, teilweise 7 kt, zogen wir nach NNW. Nach 24 Stunden waren wir bereits in Pantelleria, einer Insel SW vor Sizilien. Auf meterhohen Wellen ist unser kleines Boot ins Surfen gekommen. Wir fanden dies anfangs noch recht witzig. Aber nach der langsam aufkommenden Mängelliste: - Dreifarbenleuchte defekt, - Seewasserventile der Bilgenpumpen fest, - Spinakerbaum gebrochen, riß uns kurz vor dem Hafen von Pantelleria noch die Genua ein. Wegen schlechter nächtlicher Sicht, heulendem Wind und zu schwacher Motorleistung kamen wir nicht in diesen Hafen. Wir entschieden uns, den Starkwind in der Straße von Sizilien abzulaufen. Weiter wurde die Mängelliste erweitert: - Selbstwendeschiene der Sturmfock teilweise ausgerissen, - Wassereintritt in unserer Nacelle. Unsere Stimmung war gleich Null. Übermüdet, ständig Ruder gehend, legten wir nach 28 Stunden das Schiff bei. Treibanker ausbringen, Segel bergen, Türe zu und abwarten. Nun lagen wir kräftig schaukelnd, aber ansonsten recht ruhig (ohne Salzwasserspritzer im Kragen oder dem Gesicht) im Bett und hielten ca. alle 15 Minuten nach den großen Pötten Ausschau. Diese umkreisten uns in der am dichtesten befahrenen Seestraße (neben Gibraltar) im Mittelmeer, wie die Haie. Etwas erholt trockneten auch Tinas Wut- und Angsttränen und wir ließen auch Tunesien sausen. Der Wind und seine Richtung hielten an und nachdem schließlich unser letztes großes Segel, der Blister, nach einem Stromausfall (damit verbunden Autopilotenausfall = Steueränderung) zerfetzte, konnten wir nur noch mit Groß und Sturmfock in Cagliari (Sardinien) einlaufen.


Barsch wurden wir auf einen Tagessatz von 60,- DM im Marinahafen hingewiesen, aber mit Tinas Charme (und ihrem Wunsch nach einer Dusche) konnten wir kurz darauf in einer Privatmarina umsonst 2 Tage liegen. Da wir aber den interessanten Landansichten dieser Insel nicht widerstehen wollten, verlegten wir in den großen Haupthafen und nach Segelreparatur (500,- DM nach Verhandlungen) zogen wir mit einem Fiat Uno Leihwagen vom Flughafen auf Entdeckungstour. Tina hatte sich bestens vorbereitet. Das Auto quoll geradezu über mit Informationen und Kartenmaterial.

Der Frühlingstraum dieser Insel unter strahlendem Sonnenschein zog uns in ihren Bann. Auf der Besichtigungstour fanden Nuhrages (Befestigungsanlagen / Kultstätten 2000 Jahre v. Chr.), Domus de Janas (Feengrüfte = Urzeitliche Wohnhöhlen für Priester des Mutterkultes), Grotten und sogar ein Spaziergang auf einer Hochebene zu den MiniWildpferden (ca. 700 Tiere) ihre Höhepunkte. In vielen Orten brannten des Abends zum 17.01.96 kleine und größere Feuer, die an ihren Spitzen mit Früchten geschmückt waren und das Ende des Winters verkündeten. Da wir nun wieder 600 km nördlich sind, ist es tagsüber angenehm warm aber am Abend kuscheln wir uns bei 11° eng zusammen und auf den Bergen, die kaum über 1000 m hoch sind, fuhren wir durch Eispfützen. Nur die Flamingos haben sich auf unsere Fahrt auf der Küstenstraße von Norden kommend nicht zeigen wollen. Für diese Insel war viel zu wenig Zeit, stellten wir übereinkommend fest. Aber der Zeitdruck, bis Ende März wegen der Hurrikansaison von den Kanarischen Inseln nach Venezuela auszulaufen, läßt unsere Inselaufenthalte kürzer werden.


Mit einem weichen konstanten Wind laufen wir nach Mallorca aus. Kaum 2,5 Tage brauchen wir für die fast 320 sm. Defekte halten sich in Grenzen aber für den ersten Einsatz einer unserer beiden neuen Spinakerbäume kommt der Wind zu sehr von der Seite. Der kleine Naturhafen von Porto Colom an der Ostseite von Mallorca läßt uns schnell noch vor Eintreffen eines großen Tiefdruckgebietes Unterschlupf gewähren. Die Nacht an der Marinamole aber wird zum Horror. Genau aus der einzigen Zufahrtsrichtung dieses Hafens drückt das Meer herein. Wir hüpfen auf dem Schwell, der vor der Mole entsteht, auf und nieder und die Geräusche und Bewegungen zerren an unseren Nerven und den 6 Seilen die unsere Landverbindung herstellen. Am Morgen haben wir keine Minute geschlafen. Wir verlegen in Lee hinter die Mole, in der uns sicheres Wasser ruhig liegen läßt - sehr zum Ärger der Marinaleitung, die uns wiederholt auf Privatgelände hinweist. Man kassiert 3800Pts (45,-DM) und ist uns nach Wasserbunkern und heißer Dusche wieder los. Nicht aber bevor ich mit kompletter Tauchausrüstung bei 15° die Tabakdose (ein Weihnachtsgeschenk von Tina), die mir ungeschickterweise ins Wasser fiel, wieder aus dem Schlamm gebaggert hatte. Vor Anker liegend kippelte unser Katamaran seelenruhig 150m vom Ufer entfernt und zeigte sich von teilweise 25 kt Wind unbeeindruckt. Wir genossen dieses erste Ankern und düsten mit unserem Dinghi durch das Hafenbecken in den im Winterschlaf befindlichen Ort. Paela, Gambas, Caffee Ole und Cervesa (für Tina, ich habe ja gerade wieder 3 Monate Abstinenz) sind die kulinarischen Leckerbissen dieses Landes, aber mit dieser Gastfreundschaft hatten wir hier in Mallorca nicht gerechnet. So hungrig wie wir aussahen schenkten uns die hiesigen Fischer sofort gebratene Koteletts und Feuersalami, worauf uns der Wirt Brot mit Oliven stiftete. Er war auf Gäste mitten im Januar nicht eingerichtet und hatte nicht mehr anzubieten. Morgen werden wir ausgekrant, um noch ein Ablaufloch zuzulaminieren. Da diese Öffnung ständig im Wasser liegt hat sich ihre Funktion umgekehrt und sie pumpt ständig Wasser unter den Salontisch, anstatt dafür zu sorgen, daß eingedrungenes Wasser ablaufen kann. Nach der Reparatur von Segeln (500,- DM) und den 2 neuen Spinnakerbäumen (850,- DM) aber werden wir das Kranen und die 2 Tage überleben.

   

 

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Logbuch der DA'HOAM 02/96

  

Aus den geplanten 2 Tagen wurden wegen des Wochenendes 4 Tage (die ich auch trotz Reklamation bezahlen mußte) aber dafür stellte ich fest, daß unser Ruder SB-seits bei dem starken Schwell im hiesigen Hafen beschädigt worden war und um 1cm nach oben gedrückt wurde. Naja - dies und das Loch wurden schnell abgedichtet und unter dem Steuerstand 2 Leisten eingeklebt, in der Hoffnung nun würde es nicht mehr in die Küche tropfen.

Kaum wieder im Wasser wollten wir weiter und trotz schwachem Wind motoren wir unter Regenschauern an der Küste Mallorcas in Richtung Palma. Mutti und Vati hatten sich für den kommenden Freitag angesagt. Ob sie auch die erwünschten Sachen mitbrächten. Einen neuen Fernseher (zum Betrachten unserer selbsthergestellten Videoaufnahmen), 20 Tafeln Schokolade usw. Auf alle Fälle liegen wir nun zwischen einer kleinen Insel und Mallorca vor Anker. Der Wind bläst kräftig in den Windgenerator und ich frage mich wo denn der ganze Strom bleibt, da mit Einbruch der Nacht schon wieder das ganze Stromsystem zusammenbricht. Ob auch der Anker hält? Bei glasklarem Wasser mit einer Tiefe von 4,5m haben wir 20m Kette gesteckt (ausgelegt). Wellen schieben sich gluckernd unter dem Schiff hindurch. Tina hat Labskaus gekocht und so bin ich für den Abwasch und das Aufklaren verantwortlich. Ein rötlicher Himmel verabschiedet um 18 Uhr den inzwischen aufgeklarten Himmel und die Deutsche Welle verspricht für Morgen Wind genau auf die Nase für die restlichen 25 sm.

Ich fürchte, wir haben etwas zu wenig Ankerkette gesteckt. Die ganze Nacht ruckt unser Schiffchen auf und ab, im Schwell der ankommenden See. So idyllisch der Ankerplatz ist , wir sind froh als es heißt "Anker auf". Nur mühsam mit 1,5 kt / h kämpft sich das Boot gegen Wind und Wellen. Manchmal glaubt man auf der Stelle zu stehen, aber gegen Abend (wir sind auf 2° Ost - also wird es erst um 18 Uhr dunkel) erreichen wir unseren heutigen Ankerplatz, 150 m vor dem Badestrand von Palma. Der Wind hat gedreht und kommt von Land. Hier liegen wir endlich ganz sanft schaukelnd und können durchschlafen. Für ca. 26,- DM pro Tag Mallorca-Touristenmieten wir uns am nächsten Morgen im Club Maritimo / San Antonio de la Playa kurz vor Palma de Mallorca für eine Woche ein. Absolut geschützt, 2,5 km vom Flughafen entfernt (wir wollen doch die Eltern abholen), mit Strom für unseren kleinen Ofen und heißen Duschen. Den Ofen setzen wir sofort in Gang, denn Mallorca zeigt uns seine kühlste Schulter. 16° und Regenschauer. Unserem Tatendrang steht dies aber nicht im Weg. Mit dem Fahrrad ist es nicht mehr weit bis zur Inselhauptstadt, doch auch hier kann uns keiner die defekten / fehlenden Ersatzteile verkaufen. Tina bringt derweil das Schiff auf Hochglanz und erledigt die angefallene Wäsche. Die Vorerkundung der Insel mit ihren vielen Windmühlen (pumpen im Sommer das Wasser auf die Felder der Tiefebene) dauert den ganzen Tag. Die ganze Insel ist zartgrün und es beginnt trotz der kühlen Luft gerade vieles zu blühen. Die ersten Boten des Frühlings werden unseren Gästen bestimmt gefallen. Mallorcas WindmühlenDer Leihwagen für Sonntag ist organisiert. Ein Panda-Cabriolett für 90,- DM / 3 Tage damit kann man seine Gäste abholen, denn obwohl wir nur 2 km vom Flughafen entfernt liegen, gibt es keinen Fuß-/ oder Fahrradweg zum Eingang, nur über die Autobahn kommt man zum Ankunftsgebäude. Der kräftige Wind blies die Wellen die sich vor dem Hafen bildeten ab und verteilte Algen und Dreck gleichmäßig über das Schiff. Ein guter Grund, nachdem der Wind abflaute, gleich das ganze Schiff einer Generalreinigung zu unterziehen und da man die Teile nicht erhält, mit Bootsbauergeschick eine andere Lösung zu konstruieren und einzubauen. Pünktlich wird der Leihwagen abgeholt und unser Nachschub an Frischwurst und dem gewünschten Farbfernseher (Vico kümmert sich rührend um alle kleinen und größeren Probleme) samt den Eltern mit LTU geliefert. Nach dem obligaten Begrüßungsbier bittet Tina zu Tisch. Selbstgemachte Paella. Mit Ratschen und Urlaubsplanung geht dieser vergnügte Abend schnell ins hergerichtete Bett. Erstaunlicherweise läßt es sich im Doppelbett der Gästekammer recht angenehm zusammenkuscheln (Friendly Size).

Der erste Tag führt über Palma von der W-Spitze der Insel mit unserem Panda Cabriolet durch die Gebirgskette des nordwestlichen Küstenrandes zu kleinen Dörfern, bizarren Küstenabschnitten und in engen Kurven bergauf- bergab. Höhepunkt war die Besichtigung eines alten Klostermuseums, bei dem neben mallorcinischer Handwerkskunst der letzten 1000 Jahre alle Utensilien zusammengetragen wurden, um den Zuschauern den Wandel der Zeit im Gutsleben zu demonstrieren. Krönender Abschluß der 12,- DM Tour ist kostenloser Rotwein und Fettgebäck. Der nächste Tag bringt neben kräftigem Wind einen Ausflug an die Ostküste zu Tropfsteinhöhlen, Perlenfabrikation und einem neuen Kunstoffboden für die Plicht. Der Wind nimmt weiter zu und das Radio kündigt stürmische 8-9 Windstärken an. Aber das gut vertäute Schiff schaukelt nur leicht aufgeregt in unserem sicheren Hafen, während wir uns die Zeit bei Kniffel und Trivial Persuite nicht zu lange werden lassen. Resultat des starken Windes, der sogar noch von der Kaimauer abgehalten wird. Die Windmeßanlage ist abgebrochen und der Halter der UKW-Antenne abgeknickt. Der Süden von Mallorca hingegen bietet bis auf ein Kastell nur Küste und Sandstrand, dafür nimmt uns aber Palma gefangen und mit Bus und zu Fuß erkennt Papa "seine Insel" (die er vor fast 40 Jahren besuchte) kaum wieder. Nur die herausragenden Bauwerke - die gotische Kathedrale und die Burg sind fast unverändert (verlangen aber satte Eintrittsgelder). Ein Ausflugstörn mit der DA'HOAM findet bei spiegelglatter See unter Motor statt und wir ankern unter Sternenhimmel in einer Bucht im äußersten Westen der Insel. Wie im Flug ist die Urlaubswoche der Eltern vergangen und sie fliegen in nur 1 h 40 Min zurück in ein -9° kaltes München. Wir hingegen warten bei strahlendem Sonnenschein auf passablen Wind nach Malaga, einer fast 800 km langen Etappe. Streiche Wir - setzte ich. Bettina mußte überraschend aus familiären und gesundheitlichen Gründen nach Deutschland. Also brachte ich meinen treuen Mitsegler ebenfalls zum Flughafen und kaum hatte sie ihr Ticket, sagte ich Lebewohl bis Malaga, um den herrschenden NO 6-7 zu nutzen. Ich zahlte in der Marina die Liegeplatzgebühr und holte den letzten Wetterbericht ein. Auf die Frage ob ich denn im Moment loswolle (Wind 6 NO/Regenschauer), hätte ich eigentlich nur eine Antwort " ich bin doch kein Hollywood-segler sondern zukünftiger Weltumsegler-TransOcean", aber es blieb bei einem knappen: "ja, danke". Die Wäsche nochmals in heißem Wasser waschen und Leinen los. Nun bin ich also echter Einhandsegler. Im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Neoprenhandschuhe wurde beim Ablege-/ Segelsetzmanöver wegen des ständigen Regens feucht und der 2. Satz, nun einer fiel auf den Boden und war patschnaß. Hand in den Segleroverall und mit einer Hand weitersegeln bis zur Erschöpfung (gegen 22 Uhr). Da der Autopilot den Kurs nicht halten konnte oder wollte, meine neue Spinakerstange bereits nach 20 Minuten gebrochen war, mußte ich ständig Ruder gehen. Nach dem ersten Beiliegen mit angstvollen Blicken nach anderen Schiffen (es kam kein einziges), war ich gegen 7 aus dem Bett und gönnte mir erst nach dem Runden der Insel Formentera um 12 Uhr, eine Tasse Kaffe und ein paar belegte Brote. Ansonsten hatte ich langsam den Dreh heraus, in kürzester Zeit eine Zigarette, eine Apfel oder etwas zu trinken zu hohlen. Kaum zurück, brachte ich das Schiff wieder auf Kurs und lag am 2. Abend um 19 Uhr auf dem 0er Meridian (Greenwich). Auch hier parkte ich kurz entschlossen nach einem günstigen Wetterbericht mein DA'HOAM und wärmte mir Füße (die Schuhe sind hoffnungslos hinüber) und die Hände. Lausige Temperaturen hier: Wasser 15° und in der Luft 11°. Man hat viel Zeit zum Überlegen und ich träumte von warmen Gefilden - Gute Nacht!

Wieder eine schaukelnde Nacht vorüber, diesmal aber war ich schlauer - bevor ich die Segel setzte kochte ich Kaffee und füllte etwas in die Thermoskanne. Leider ließ der Wind nach und mit Genua und Groß kam der Autopilot wieder nicht zurecht. Erst nach einem mühevollen Setzen des Blister (mir fehlt meine Tina), schob sich der Seeschlitten mit mageren 2-3 kt in westliche Richtung. Jetzt läuft das Schiff, erst einmal richtig getrimmt, wieder unter Autopilot - es gibt Essen, Pausen und der Wind läßt immer stärker nach - das Auge des Hochs ist erreicht. Windstille. Motor an - nach 24 Stunden reicht es mir und ich lege Nachts in Cartagena, in einer noch nicht komplett eingerichteten Marina, an. Laute Musik vom Ufer, neugierig mische ich mich unter die unmöglichsten Verkleidungen - Karneval in Spanien. Richtige Stimmung kommt bei mir aber nicht auf. Etwas müde, fast kein Wort verstehend und kein bekanntes Gesicht - ich bin etwas einsam.

Nach 2 Tagen aber kenne ich die kleine Stadt, die ich mit meinem Rucksack durchstreift habe, gut. Wo gibt es Brot, Petroleum oder wo kann man die Wäsche waschen, führen über Ausgrabungsstätten und der Burganlage oder zu Einlagen beim Eisholen und Kaffee. Nur der Wind meint es nicht gut mit mir, er bläst ständig aus der Richtung, in die ich will. Sonnenschein und 18° helfen da nicht, ich möchte weiter nach Gibraltar - denn so zeichnet sich ab, Tina wird erst in Lanzarote wieder zu mir stoßen. Also warten, kochen und lesen.

Einen ganzen Tag kämpfe ich mich nun bei wechselnden Winden weiter. Genua und Groß setzten, bergen, Blister setzen, bergen und Motor an. Der Autopilot piepst aufgeregt Alarm, er kann den Kurs nicht halten und zu allem Unglück fällt mir mitten in der Nacht auch noch die Türe mit einem lauten Knall zu. Der Ersatzschlüssel ist im Motorenraum versteckt - aber wo. Es ist so dunkel, daß ich ihn nicht finden kann. Ich richte mich schon bei 9° in der Plicht ein, als mir einfällt - vielleicht ist das Oberlicht nicht blockiert - puhh - Glück gehabt. Ich klettere über das Bett in mein zwar nicht wärmeres aber zugfreies Zuhause. Magere 25 Seemeilen sind mein Tagesetmal. Am Abend steuere ich mit dem glutroten Licht der untergehenden Sonne um 19 Uhr (wir sind ja nun schon recht weit westlich) einen kleinen Fischhafen an und verstecke mich direkt an der Mole vor 2 großen Fischerbooten.

Der nächste Tag beginnt mit einer NO Brise und dreht, kaum bin ich auf See - wieder auf West. Motor an Marschfahrt 1,8 kt, naja also noch 40 Stunden bis Malaga. Halt, was ist das - ein kreischendes Geräusch aus dem Motorenraum erschrickt mich. Sofort Motor aus, Keilriemen prüfen. Während sich der Keilriemen für die Lichtmaschine spannen läßt, finde ich für die Wasserpumpe keinen Spannhebel, was nun? Ich schmiere die Keilriemen mit Spüli ein und starte erneut. Schlimme Geräusche der Lichtmaschine lassen mich ahnen - das wird etwas Größeres. Voller Wut schlage ich mit dem Radmutterschlüssel (den ich als Spannhebel für alles einsetze) auf die Lichtmaschine - es knallt und sie läuft wieder ruhig. Ich gebe etwas mehr Gas und mit 3,5 kt geht es mit Kurs 260° nach Malaga / Gibraltar.

Sierra NevadaMalaga, die Stadt unter den schneebedeckten Bergen der Sierra Nevada, begrüßt mich und nimmt mich im Fischereihafen auf. Sofort strebe ich in die Stadt, um zu telefonieren und etwas frisches Obst und Hackfleisch einzukaufen. Mit meinen Schätzen zurück, erscheint auch schon der offizielle Abgesandte des Hafenmeisters. Er schmunzelt und erklärt mir, zwar auf Spanisch, aber ich verstehe ihn sehr gut: "Dies ist ein Kommunalhafen und die Liegeplätze sind teuerer als in einer Marina, es gebe darüber hinaus weder Strom noch Wasser und Diesel nur für gewerbsmäßige Fischer - aber in 20 NM sei ein neuer Marinahafen mit allem was ich mir wünsche". Meine Überlegung dauert nicht lange und er hilft mir sogar noch beim Ablegen. Mit wechselndem Erfolg segle und motore ich in die untergehende Sonne und erreiche kurz darauf diesen Marinahafen. Sofort tanke ich den Ersatzkanister (den ich Malaga eingefüllt habe) wieder voll. Man erklärt mir 20,- DM pro Nacht alles incl. und ich könne mich hier wohl fühlen. Tue ich dann auch und nachdem die Kontrollampe der Lichtmaschine ständig gebrannt hat, prüfe ich diese. Na fein, die Lichtmaschine ist festgefressen und hat auch den Keilriemen abgerissen. Aber bei Volvo bleibt nichts unversucht. Ein Mechaniker fährt extra nach Malaga und besorgt mir eine neue Maschine.

Der nächste Tag ist ein ganz Schwarzer. Der Himmel strahlt, Wind aus Ost - also Lichtmaschine einbauen und los. Denkste - beim Einbau zerstört ein winziger Kurzschluß den Ölfilter, was ich aber erst merke als der Motor probeläuft, es sprudelt schwarzes klebriges Zeug in die Bilge. Entsetzt stelle ich sofort den Motor ab. Aller Aufwand umsonst. Gesägt, gefeilt und geschraubt, weil die Lichtmaschine natürlich nicht sofort paßte und die Kontrollampe brennt nach wie vor. Beim Ausbau verbrenne ich auch noch mit einem erneuten (man lernt ja nicht dazu) Kurzschluß den Reserveölfilter und bin den Tränen nahe. Der geduldige Mechaniker fährt mich nach Malaga und besorgt mir einen neuen Ölfilter und hilft beim Einbau und dem gerechten Verteilen von Altöl auf dem gesamten Schiff, incl. dem neuen weißen Fußboden in der Plicht. Er drückt mir aber noch einen Bilgencleaner (Ölneutralisator) in die Hand und vertröstet mich auf Montag, erst da sei ein Elektrospecialisto verfügbar. Ich fülle das Öl nach und sauge mit seiner elektrischen Pumpe die mehrfache Überschwemmung von Süßwasser zum Reinigen des Motorenraumes aus der Nacelle. Bei der Montage des Wasserschlauches schneide ich mich noch gewaltig mit einem Messer. Bravo heute ist mein Tag und keine Tina da, auf die ich wenigstens etwas Groll abladen könnte. Gegen Abend ist alles einigermaßen sauber und meine Finger haben den Teint früherer Tage (als ich ständig an Autowracks herumschraubte). Vielleicht kann ich in den 2 Freitagen meinen Schnupfen auskurieren und das Wetter katapultiert mich dann nach Gibraltar. Wunschtraum?

Lichtmaschine und Einbau (da natürlich die Anschlüsse nicht mit dem alten Modell übereinstimmen und es bei dem Eigeneinbau nicht klappt) 500,- DM. Langsam wird dieses Abenteuer ein teurer Spaß und zu allem Übel hat der Windgenerator den Geist aufgegeben. Kann es noch schlimmer kommen. Ja! Kaum ist der Generator drin lege ich bei NO-Wind 4-5 ab. Kaum aus dem Hafen dreht dieser auf W und frischt auf 6-7 auf. Ich muß voll gegenan. Es spritzt und kracht. Ständig taucht das Schiff in die aufgebaute See, donnert über das Sonnendeck, schäumt über die Frontscheibe und wird vom Wind über die Solarpanele geblasen. Die Plicht schwimmt, die Toilette auch. Ich wollte die Belüftungsdeckel schließen und erschreckt stelle ich fest, es läuft wie aus einem Gartenschlauch in die Segelkammer. Ich pumpe auf Teufelkommraus die Bilge leer, aber es läuft ständig nach. In Tränen aufgelöst, patschnaß verfluche ich das ganze Segelabenteuer. Aber das hilft nun nichts - wo kommt soviel Wasser herein. Während dieses Seeganges (übrigens bei strahlendem Sonnenschein) wage ich mich nicht auf das Vordeck, aber nun fliegt auch noch eine Luke vorne auf. Also Schwimmweste an, einhaken und vor. Der Ankerkasten gurgelt voll mit Meerwasser (wohlgemerkt 1m über der Wasserlinie?), daher also die Sintflut im Bad, der Ablauf des Ankerkasten muß verstopft sein. Ich schiebe die Ärmel hoch (obwohl das egal ist, ich bin eh schon total naß) und packe soviel wie möglich aus dem Ankerkasten und hoffe es fliegt nicht sofort davon. Fender, Petroleumvorratskanister, Genuapersenning und vieles mehr staut sich auf dem wackelnden Schiff neben mir und wird abundzu mit Meerwasser überspritzt (ist aber eh egal es schwamm ja bereits). Ich tauche quasi unter die Ankerkette und lege das Ablaufloch frei - in 2 Minuten ist der Kasten leer. Das Schiff hat einen neuen Trimm und kracht nicht mehr so in die Wellen. Geschafft sitze ich nach dem Umziehen im Schiff und überdenke bei einem Kaffee und Zigarette dieses Unternehmen. 24 h für 50 Seemeilen. Wind und Technik gegen mich und keiner dem ich mein Leid klagen kann. Aufgeben?

Nach einem Nickerchen laufe ich Gibraltar an, klariere ein, Tanke für 60 Pfennig/Liter gerade mal 50 Liter (ich hatte mit mehr gerechnet) und laufe nach einem Supermarktbesuch schon wieder aus. Klasse, Wind und Strömung in der Straße von Gibraltar gegenan. Soll ich umdrehen - Nein! Jetzt wo ich schon die Karte für Venezuela gekriegt habe - Nein.

Mit etwas Wolken und roter Sonne verabschiedet sich der letzte Tag des Februars und mich von Europa. Mit kaum 5 km/h wühlen mich die 15 PS des Dieselmotors durch die Straße von Gibraltar, vorbei an Tanger um das Cabo Espartel (nach GPS aber erst morgen früh). Lebe wohl alter Kontinent - laßt es nun etwas wärmer, billiger und nicht so desolat werden.